Wie unsere Schule die Spiritualität der Schüler*innen fördert

Ermöglichung religiöser Erfahrung (ERE)

Die spirituelle Entwicklung der Schülerinnen ist ein wichtiger Aspekt ihrer Bildung. Viele Schulen erkennen mittlerweile die Bedeutung von religiösen Erfahrungen und bemühen sich, diese zu fördern. Doch wie genau kann eine Schule die spirituelle Entwicklung ihrer Schülerinnen unterstützen?

ERE

  • bedeutet kreative Unterbrechung des Schulalltags.
  • ermöglicht das „Atemholen“ zwischen den Lernfächern.
  • fördert die Wahrnehmung und Achtung seiner selbst, des anderen und der Schöpfung.
  • unterstützt die bewusste Gestaltung des eigenen Lebens auf der Grundlage des christlichen Glaubens.
  • ist an unserer Schule ein feststehender Begriff für eine Wochenstunde in der Sek. I, die frei vom Notendruck Erfahrungen ermöglichen will – mit sich selbst, mit den Mitschülerinnen und Mitschülern und nicht zuletzt mit dem, den wir als verborgene schöpferische Kraft in unserem Leben immer nur glaubend erahnen können.

Das Konzept, wie es in der Schulkonferenz verabschiedet wurde:

Bischöfliches Gymnasium St. Christophorus, Werne
Konzept für die Ermöglichung Religiöser Erfahrung
- ERE-Stunde in der Sekundarstufe I -
(Beschluss der Schulkonferenz vom 08.05.2003)

Einführung

Die „Ermöglichung Religiöser Erfahrung“ („ERE“) ist ein wichtiges Ziel des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule und somit Bestandteil des Schulprogramms. ERE möchte mit den Schülerinnen und Schülern Wege erschließen, ihr Leben auf der Grundlage des christlichen Glaubens zu kultivieren, d.h. u.a. zu formen und zu gestalten, sowie ihren Glauben zu versprachlichen, zu verbildlichen und zu verleiblichen. Im Zentrum steht der ganzheitliche Mensch mit seinen Fragen, Sehnsüchten, Ängsten und Zweifeln. 

Im Schuljahr 2002/2003 wurde für ERE auf der Basis von Erfahrungen und deren Reflexion ein Konzept entwickelt mit dem Ziel einen verbindlichen Konsens aller an der Durchführung von ERE verantwortlichen Lehrerinnen und Lehrer zu erreichen. An der Erarbeitung dieses Konzeptes haben mehr als 25 Lehrerinnen und Lehrer mitgewirkt.

Das vorliegende Konzept versteht sich als Rahmenplan, der weiterentwickelt werden wird. So sind die Inhalte, anders als aus der curricularen Arbeit bekannt, noch nicht systematisch den einzelnen Jahrgangsstufen zugeordnet worden, wenngleich sich einige Zuordnungen in der Praxis bereits als sinnvoll erweisen.

Die Methoden werden „spiralcurricular“ eingesetzt, wiederholen sich also, wobei die Vertrautheit der Schülerinnen und Schüler mit den Methoden und damit die lebenspraktische Umsetzung schrittweise entwickelt wird. Zur Entwicklung des ERE-Konzeptes und der  ERE-Praxis werden sich weiterhin alle Beteiligten regelmäßig (ca. einmal pro Quartal) als Arbeitsgruppe treffen.

1. Situationsanalyse:

  • In ERE wollen wir den Schüler besonders aufmerksam wahr- und ernst nehmen. Gleichzeitig wissen wir, dass wir Vorgaben machen müssen, auf die der Schüler in Freiheit reagieren kann. Solche Vorgaben bewegen sich z.T. gegen den Strom (z.B. die Themen „Verlangsamung“, „Wüste“, Stille).
  • Wie die Umfrage zur religiösen Alltagspraxis unserer Schülerinnen und Schüler gezeigt hat, haben wir es mit einer sehr heterogenen Situation zu tun.
  • Nicht nur im Bereich religiöser Bildung und Praxis gilt: Wir können Menschen nicht dazu motivieren; wir können aber Demotivierung verhindern, indem wir Bedingungen abbauen, welche die Motivation zerstören (z.B. Räume gestalten, die nicht das Negativimage von Religion verstärken, sondern neugierig machen, verfremden, überraschen).
  • Wenn wir die Situation analysieren, heißt dies nicht, dass wir das, was Menschen wollen, in der Hand haben. Wir gehen immer von einer teils erforschten, teils vermuteten und teils fehl eingeschätzten Situation aus und machen ein Angebot, das auch bei vollzähliger Teilnahme innerlich in Freiheit angenommen oder abgelehnt wird.
  • Zur Situation gehört auch, dass wir in ERE als „Lehrer“ und als Erwachsene auftreten. Die Inhalte der Stunde fordern von uns aber eher die Aufgabe als „Moderator“. Wie kann das gelingen? Wie können auch Schüler dies wahrnehmen, da doch die ERE-Stunde in den normalen Stundenplan integriert ist, indem sie uns und das, was geschieht, anders erfahren (Bewertung, Ergebnisorientierung,...).

Zur Situation der Schülerinnen und Schüler:

  • säkularisierte Welt (was nicht heißt: schlechte Ausgangsbedingungen)
  • Religion ist vorrangig Privatsache.
  • Schüler, die außerhalb der Schule als „religiöse und spirituelle Menschen“ leben, wollen „geschützt“ werden.
  • „Wir“ wollen ERE (Wir = ein großer Teil im Kollegium, in der Schulkonferenz, in der Schüler- und in der Elternschaft).
  • Das Leben steht oft unter dem Einfluss von „Oberflächenreizen“ (schnelle Schnitte [vgl. Filme], schnelle Wechsel, schnelle Ergebnisse, schneller Genuss,...).
  • Beziehungsarmut (viele Beziehungen, aber wenig intensiv).
  • Negative Vorerfahrungen mit dem Religiösen oder fehlende Erfahrungen (was nicht die gleichen Konsequenzen hat).
  • Erwartungen an „Religion“ in Notsituationen (z.B. bei Unfällen oder Terroranschlägen)
  • Ansatzweise ist der Wunsch nach Überwindung von Selbstgenügsamkeit (gerade in Krisensituationen) zu spüren.

2. Ziele:

  • Sensibilisierung zur ganzheitlichen Wahrnehmung:                  
    • Selbstwahrnehmung + Schöpfung
    • Fremdwahrnehmung + Andere
  • Förderung der Gestaltung / Kultivierung des Lebens
  • Einüben in Empathie und Solidarisierung
  • Intensivierung der Beziehungsfähigkeit
  • Eröffnung von Erfahrungen mit zweckfreien Prozessen
  • Ermöglichung von Transzendenz („Ungenügsamkeit“, Gottesberührung,...)

3. Prinzipien:

  • ERE ist, wie es schon der Name sagt, erfahrungsorientiert. Es geht darum, Erfahrungen zu ermöglichen (auch fremde, ungewohnte, neue... E.).
  • Wir benötigen dazu (curriculare) Offenheit und Flexibilität. Die Verbindlichkeit wird weniger über ein Curriculum als vielmehr durch den kollegialen Austausch und die Teamarbeit sowie durch die Dokumentation von Projekten gewährleistet.
  • Experimentierfreude (Erleben – Reflektieren – Beurteilen – Verwerfen oder Fortschreiben...)
  • Bereitschaft, Offenheit und Freiwilligkeit der Lehrpersonen für die Begegnung mit den Schülerinnen und Schülern. In den ERE-Stunden gilt der „Primat der Begegnung“.
     

4. Anforderungen an die Lehrer:

  • Zutrauen (Wir trauen uns und den Kolleginnen und Kollegen, die ERE durchführen wollen, zu es auch zu können.)
  • Freiwilligkeit, Entscheidung, Verantwortung.
  • Bereitschaft zur Wahrnehmung von und zur Auseinandersetzung mit eigenen Möglichkeiten und Grenzen.
  • Teamfähigkeit.
  • Hinhören und –sehen bzgl. der Schülersituation (d.h. die Situation der Schülerinnen und Schüler sehen und hören auch im Sinne von zulassen können).
  • Offenheit und Achtung vor der Andersartigkeit (Originalität) der Schüler und der Kollegen.
  • Spirituelle Grundhaltung (Erfahrung mit „Gottesbegegnung“, Glaube an die Möglichkeit der Gottesberührung im Alltäglichen). 

5. Anforderungen an die Schüler:

  • Offenheit gegenüber der Andersartigkeit der ERE-Stunde, der anderen Rolle der Lehrer und der Mitschüler.
  • Bereitschaft, sich „unterbrechen“ zu lassen.
  • Gegenseitiger Respekt, Achtung, Wertschätzung.
  • Bereitschaft zur persönlichen Initiative und Auseinandersetzung. 

6. Strukturelemente:

Ein Strukturelement, das wir im Rahmen der Konzeptentwicklung für ERE in den Blick nehmen müssen, ist der „Raum“ für ERE. Konkret sollten wir überlegen, wie wir die Kapelle so gestalten können, dass der Sakralbereich (Insel mit Altar, Ambo und Tabernakel) noch deutlicher von der „Vorhalle“ abgegrenzt werden kann (z.B. Paravent, Tücher); auch ist Variation in der Gestaltung denkbar.

7. Inhalte:

  • Grenzsituationen
  • Anbindung von ERE an das Kirchenjahr
  • Körper- und Naturmeditation
  • Lieder (besonders Neues Geistliches Liedgut)
  • Beziehungen untereinander, Klassenklima
  • Stilleübungen
  • Selbstsymbolisierung (Darstellung und Ausdruck von Selbstbefindlichkeit, von Selbstwahrnehmung etc.)
  • Soziales Engagement (Diakonie)
  • Handwerkliche (ganzheitliche) Gestaltung von Einsichten und Ansichten
  • Einübung der religiösen Sprache (z.B. Gebete)
  • Rituale erleben
  • Neue Zugänge zur Bibel
  • Geschichte der Arnsteiner Patres 

Bei alledem ist es besonders wichtig, Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben ihre eigenen Lebenswelten einbringen zu können. Diese Welten sollen nicht nur dargestellt, sondern in der Interaktion unterbrochen, hinterfragt, irritiert, gestaltet und evtl. auch verwandelt werden.

s. zu „Inhalte“ auch Protokolle der ERE-Sitzungen mit Erfahrungsberichten (woraus sich bereits gewisse Zuordnungen von Inhalten zu den Jahrgangsstufen ergeben).

Je nach Inhalt legt sich die Möglichkeit zur Kooperation nahe (z.B. im Rahmen von Bibelarbeit kann die Zusammenarbeit mit einer Kollegin oder einem Kollegen aus dem Bereich Ev. und Kath. Religion hilfreich sein; im Bereich Körpererfahrung die Kooperation mit einer Kollegin oder einem Kollegen aus der Fachschaft Sport).

8.  Methoden (exemplarisch):

  • Symboldidaktik
  • Bibelbetrachtungen, Bibelteilen,...
  • Szenisches Spiel (z.B. Takttheater)
  • Körperübungen (Entspannen, Atmen, Bewegen, Darstellen...)
  • Erlebnispfad
  • Schreibgespräch
  • Phantasiereise
  • ...

9. Erfolgskriterien / Evaluation:

  • Im Bereich ERE ist die Erfolgskontrolle nicht durchführbar wie in anderen Lern- und Arbeitszusammenhängen. Dies ergibt sich aus den Zielen, Inhalten und Methoden von ERE und aus der „Zweckfreiheit“, die wesentliches Element des Konzeptes ist. Trotzdem muss die Möglichkeit zur Auswertung gegeben sein durch:
  • Befragung der Klassen (Fragebogen zur Prozess- [Welche Themen waren für mich die wichtigsten?], Struktur- [Fragen zu den Räumen, Lehrern,...] und Ergebnisqualität [Wie haben wir die Begegnungen, die Kommunikation... erlebt?].
  • Lehrerfeedback (ggf. vertraulich); auswertendes Gespräch in der Klasse; auswertendes Gespräch mit dem Kollegen / der Kollegin.
  • Kriterien für den „Erfolg“:
    • gute Beziehungsqualität in ERE
    • „Wohlgefühl“ (im Sinne von respektiert, frei, echt...); Zweckfreiheit als Chance
    • Bei der Reflexion über die ERE-Arbeit sollen auch persönliche Erfolgserlebnisse und -kriterien besprochen werden.